Von Äpfeln und Birnen – Von der Schwierigkeit beim BMW-Welt-Jazz Award zwischen den Teilnehmern Vergleiche zu ziehen

München, im März 2019 –  Vergleiche zu ziehen ist eine nicht immer ganz unproblematische – und auf jeden Fall niemals eine leichte Angelegenheit. Insbesondere wenn dem Zuhörer in einem Wettbewerb die Kriterien einer Jury nicht so wirklich glasklar sind: Virtuosität und Instrumentenbeherrschung sind es sicher nicht – denn diese zeichnen alle ausgesuchten Teilnehmer der alljährlichen sechs Vormittagsmatineen im Doppelkegel der BMW-Welt aus. Vielleicht spielen noch der Grad der Innovation und schöpferischer Umgang mit Traditionen eine große Rolle – 2016,  als das Motto „inspiriert durch Legenden“ lautete, wurde  zum Erstaunen mancher Beobachter immerhin die amerikanisch-schweizerischen Gruppe Stucky-Doran-Studer-Tacuma mit ihren gewagten hardrockigen Hendrix Adaptionen bis ins Finale dieses „Jazz“-Wettbewerbs (!) gehoben. Eines ist aber unterm Strich klar: Bekanntheit alleine kann aber schon einmal kein Kriterium sein, schließlich sind es teilweise schon Weltstars die hier auftreten, wie der Saxophonist, Komponist und Leiter der Jazz Abteilung der Princeton University, Rudresh Mahanthappa, der am letzten Matineesonntag ein mitreißendes Konzert gab.

Wenn man den richtigen Leuten gegenüber seine künstlerischen Absichten artikulieren könne, sei man nicht auf die Almosen europäischer Veranstalter angewiesen, soll Mahanthappa einmal vor Jahren gesagt haben. Schon allein dieses Selbstbewusstsein, mit dem er sprach, zeugt davon, dass hier jemand die Bühne betrat, der zumindest in einem Nachwuchs-Wettbewerb tatsächlich überhaupt nichts zu suchen hätte und trotz seiner provozierenden Aussage kein Neuling auf Europas Bühnen ist. Der im Mai 1971 geborene Mahanthappa stammt von indischen Einwanderern ab, wuchs in Colorado auf und absolvierte einst in Chicago ein Masterstudium in Jazzkomposition. Seine musikalischen Strukturen sind oft von der hochkomplexen Rhythmik südindischer Musik beeinflusst. Andererseits  reicht die Palette bis hin zur Modernität eines Charlie Parker. 1996 erschien das erste Album Yatral, 2015 wurde sein Album Bird Calls nach Meinung von Kritikern Jazzalbum des Jahres. Obwohl nicht alle Werke auf den deutschen Markt kamen, erschließt sich dem Suchenden ebenso wie den Besuchern der Matinee trotzdem eine ungeheure Bandbreite an stilistischer Vielfalt, Komplexität und klanglicher Dichte. Dieses Werk alleine schon lässt sich kaum auf einen Nenner bringen.

Aber wer sollte nun gegen einen solchen Giganten im Finale am 4. Mai im Auditorium der BMW-Welt antreten? Zweifelsohne steigerte sich die Vielschichtigkeit des Dargebotenen in der zweiten Hälfte der diesjährigen Matineen noch um ein Erhebliches. Vor zwei Wochen etwa hatte die estnische Saxofonistin Maria Faust eine wesentlich stillere und weniger überbordende, zugleich improvisierende  Variante ihres Instruments präsentiert.

Oder gar davor Matthieu Bordenaves Archipel Trio, das in ruhigen Details ein verhaltenes, fast schon kammermusikalisches Szenario entfaltete.

Nein, niemand will (oder könnte)der Jury vorgreifen: Sie wird entscheiden müssen, welche zwei Kandidaten am 4. Mai gegeneinander antreten werden und ums Preisgeld kämpfen. Aber bisweilen stellt sich doch der ein wenig fatale Eindruck ein, dass ein wirklicher Vergleich der Kandidaten kaum möglich ist, hieße das doch ganz banal Äpfel mit Birnen vergleichen.

Stephan Fritz

Justyna Autor