10 Jahre Todestag von William Grun – In Ehre an den der in unserem Gedächtnis weiterlebt. Ein Schlüssel zum jüdisch-polnischen Dialog

Nicht hoch von Wuchs, niemand der ins Auge fiel, ein bescheidener Mensch! Wer war das?

Der Besitzer des Restaurants Adria in München Schwabing. Der Name Adria war für ihn die Erinnerung an das Vorkriegspolen. Warschau und genauer die Atmosphäre unter der Boheme dieses legendären Lokals wie Jan Kiepura, Hanna Ordonówna, William Grun…

Ja das ist im Gedanken an ihn. Er starb am 07. Juli 2009.

Über 30 Jahre begrüßte er persönlich seine Gäste sowohl Stammgäste wie auch zufällige Besucher.

eine besondere Freude bereiteten ihm immer die Besuche von Polen. Mit vielen verband ihn eine Freundschaft und immer sprach er Polnisch, also die Sprache, die wie er meinte man nie vergisst.

Er war ein wunderbarer polnischer Jude mit einem unglaublichen Lebenslauf. Er wurde 1924 in Sosnowiec in der Nähe des Hauses in dem 22 Jahre zuvor Jan Kiepura geboren wurde.

Die Grun Familie kam aus der Mittelschicht. Als fünfjähriges Kind zeigte William ein ganz großes Interesse für Musik. Er ahnte nicht, dass sie später sein Leben retten sollte. Geige! Das war seine Welt. Das Talent und tägliche Übungen trugen nach einigen Jahren Früchte. Er war ein sehr begabter Spieler und vielleicht hätte er eine große Karriere gemacht, wenn dies nicht der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhindert hätte. Im Alter von 16 Jahren kam er nach Auschwitz. Nummer 157 663. Aber er hatte – wenn es so etwas in diesen Bedingungen geben kann – Glück!

Er überlebte diese Hölle – wie er nach Jahren erzählte – eben, weil er Geige spielte.

Die Wärter mit ihren tierischen Instinkten beschlossen in dieser irdischen Hölle ein Lagerorchester zu gründen. In diesem Orchester fand sich ein Platz für den jungen, talentierten Geiger. Die Mitgliedschaft beim Orchester gab Hoffnung auf die Chance zu überleben. Obwohl am Ende seiner Kräfte angelangt begann er auf Bitte von Amerikanern ein Orchester zu gründen. In diesem Orchester spielte er selbstverständlich Geige.

Diesmal für die Menschen, die sich über das Ende des Krieges freuten.

Der Glaube an Befreiung war bei dem jungen Grun so stark, dass er mit den restlichen Überlebenden, die im Todesmarch Richtung Westen marschierten zu Fuß bis nach Bayern ging. Das war im Jahr 1945. Die Alliierten befanden sich bereits dort. Die Begegnung mit den Amerikanern und die Hilfe, die er bekommen hatte wirkte wie eine Dosis einer Lebensmedizin für ihn. Obwohl er am Ende seiner Kräfte war begann er auf Wunsch der Amerikaner ein Orchester zu organisieren. Im Orchester spielte er selbstverständlich Geige. Diesmal für die Leute, die die Freude über das Ende des Krieges erlebten.

Kurz nach Ihrer Heirat wanderten die Gruns in die USA aus. Sie wurden dort heimisch und es gab keine Anzeichen für eine baldige Rückkehr nach Europa und Bayern, geschweige denn für eine dauerhafte Rückkehr. Nach sechzehn wunderbaren Jahren, die sie in den USA verbrachten kam das Ehepaar nach München zurück. Der Grund dafür ist die Krankheit des Vaters der Ehefrau. Dessen Gesundheitszustand verbesserte sich über einen längeren Zeitraum nicht, aber dank der fürsorglichen Pflege der Tochter und des Schwiegersohnes lebte er.

Herr Grun entscheidet sich eine Geschäftstätigkeit aufzunehmen, die der Familie ein Einkommen bringt. In der Leopoldstraße an der U Bahn Station „Giselastraße“ erscheint das Adria. Für die Polen ist es weit mehr als nur ein Restaurant in Schwabing. Es ist ein Ort an dem aufeinanderfolgende Wellen von Auswanderern, die aus Polen kommen, auf Hilfe zählen können. Die geleistete Hilfe war unterschiedlich, aber Herr Grun sprach nicht gerne darüber. Aber diejenigen, denen geholfen wurde, erinnerten sich fröhlich und respektvoll daran.

Gespräche! Gespräche auf Polnisch waren für ihn am wichtigsten! Und es lohnt sich hier zu erwähnen, dass obwohl Herr Grun so viele Jahre im Exil gelebt hatte, er bis zum Ende seiner Tage eine schöne polnische Sprache sprach. Eine Sprache, um die ihn viele Polen, die in ihrer Heimat leben, heute beneiden könnten.

In den polnischen Kreis des Adria, oder mehr in die Gesellschaft von Herrn Grun kamen die Mitarbeiter der polnischen Radio Sendung Freies Europa und als das Radio im Jahr 1994 hörte auf zu existieren änderte sich daran nicht viel. Bis vor kurzem fanden hier monatliche Treffen von Radioschaffenden statt und an diesen Treffen fehlte am Tisch nie der Wirt. Zuerst saßen da nur die Radioschaffenden, aber  mit der Zeit schloss sich ihnen eine große Gruppe von Polen von außerhalb des Radios an. An jedem Mittwoch im Monat wartete ein großer speziell für diesen Anlass vorbereiteter Tisch. Die Tradition ist in die Vergangenheit gegangen.

Die letzten Jahre waren nicht die glücklichsten. Zuerst erkrankte seine Frau schwer und dann er selbst. Er wollte die Krankheit nicht wahrhaben und trotz seinem Mangel an Kraft arbeitete er immer weiter. Aber im Jahr 2007 verabschiedete er sich mit seiner Adria für immer.

Zwei Jahre später besiegt ihn die unheilbare Krankheit. Der Abschied von Herrn Grun fand auf dem jüdischen Friedhof, Kadysh im Kreis von eng verbundenen Menschen am 09 Juli 2009 statt.

von Justyna Weber

Justyna Autor