WIR zur Förderung der deutsch – polnischen Zweisprachigkeit Hamburg

Mein Weg zum Verein WIR zur Förderung der deutsch – polnischen Zweisprachigkeit Hamburg

Vor anderthalb Jahren bin ich mit meinem Mann und unserer viereinhalbjährigen Tochter Zosia nach Hamburg umgezogen. Dadurch bin ich zum ersten Mal mit dem Phänomen der Zweisprachigkeit in Kontakt gekommen. Auch wenn der Umzug nach Deutschland aufgrund der Arbeit meines Mannes erfolgte, sah ich darin von Anfang an eine Chance für unsere ganze Familie. Die Erfahrung, in einem neuen kulturellen und sprachlichen Umfeld leben zu können, schien mir ein großes Geschenk für unsere Tochter zu sein. Mit gefiel die Idee, dass Zosia eine neue Sprache erlernt, ihr eine neue Kultur begegnet und sie somit auf „natürliche Art und Weise“ lernt, sich zu öffnen und tolerant zu sein. Mir war durchaus bewusst, dass unser neues Lebensprojekt auch eine große Herausforderung darstellt. Da ich studierte und erfahrene Logopädin und Pädagogin bin, kenne ich mich mit Theorien zum Spracherwerb und zur sprachlichen Entwicklung gut aus. Trotzdem hatte ich viele Bedenken, was die zweisprachige Erziehung meines Kindes angeht.

Bereits drei Wochen nach unserer Ankunft in Hamburg ging Zosia in die deutsche Kita. Uns begleiteten viele Sorgen und offene Fragen, ob und wie sie das schafft. Wie wird sie damit umgehen können, dass keiner sie versteht? Gerade unsere Zosia, die ausgesprochen kommunikativ ist und den Mund kaum zumacht. Wie soll ich sie zum Erlernen der deutschen Sprache motivieren ohne gleichzeitig den Erwerb der polnischen Sprache zu vernachlässigen? Als vierjähriges Kind braucht sie, nach wie vor viele Anreize, um das Polnisch gründlich und korrekt zu erlernen.

Mit diesen Fragen machte ich mich auf die Suche nach einem Ort, wo ich meine Sorgen teilen und meine Erfahrungen mit anderen Eltern austauschen könnte. Wichtig war es mir auch, einen Ort  zu finden, an dem Zosia auf polnischsprachige Gleichaltrige treffen kann. Auf meiner Suche bin ich auf den Verein WIR zur Förderung der deutsch-polnischen Zweisprachigkeit gestoßen und auf deren Kurs  „Smyki Plus“. Es ist ein Kurs zur Sprachförderung für 4 bis 5-Jährige auf Polnisch. Bei „Smyki“ hat Zosia jede Woche Kontakt mit zweisprachigen Kindern in ihrem Alter. Beim Spielen, Lesen und Singen verfestigt und erweitert sie ihre Polnisch-Sprachkenntnisse. Ich lernte dabei eine Elterngruppe kennen, in der jeder über seine eigene Geschichte der zweisprachigen Erziehung verfügt. Die Gespräche zum Thema bestätigten mich in meiner Überzeugung, dass die zweisprachige Erziehung eine große Chance für unsere Kinder ist und es sich lohnt, diese zu unterstützen und zu fördern. Der Verein WIR wurde von tollen, sehr engagierten Müttern gegründet, die viele Projekte zur Zweisprachigkeit umsetzen und darüber hinaus immer mit einem guten Rat und mit Unterstützung zur Seite stehen. Ihre Energie wirkt ansteckend und ermutigt, die polnische Sprache und Kultur zu fördern.

Unser Abenteuer mit der Zweisprachigkeit geht voran. Zosia spricht gut Deutsch und schloss bereits erste Freundschaften in der Kita. Sie singt fröhlich deutsche Kinderlieder und nimmt am deutschen kulturellen Leben teil. Wir als Eltern bemühen uns durch unsere Gespräche mit ihr oder beim gemeinsamen Bücherlesen um möglichst viele Anlässe für sie, im Alltag Polnisch zu erleben.

Ich bin sehr froh darüber, dass ich den engagierten WIR-Mamas begegnet bin. Sie begleiten uns seit Anfang unserer Zeit in Hamburg und ich hoffe, es wird weiter so bleiben.

Natalia Gawęda,

Übersetzung: Renata Rakoczy-Dahlmann

WIR stellen uns vor oder WIR stellt sich vor…

Der Verein WIR zur Förderung der deutsch-polnischen Zweisprachigkeit wurde im November 2016 gegründet. Der Entstehung von WIR e.V. liegt ein Treffen drei polnischer Mütter zugrunde, die alle, wenn auch auf verschiedene Art und Weise, polnischsprachige Eltern und Kinder um sich herum gesammelt haben. Sie alle hatten gemeinsame Ziele: Sie wollten vor allem ihre Kinder in zwei Kulturen und zwei Sprachen bewusst erziehen und ihnen dabei Respekt und Wertschätzung vermitteln, damit sie sich für andere Kulturen und Sprachen öffnen können. Ihnen allen war es bewusst, dass Polnisch für die meisten Kindern die Sprache der Eltern ist, so wie Polen „ihr“ Land war. Die Sprache der Kinder ist Deutsch UND Polnisch (und die Reihenfolge hat ihre Bedeutung), ihre Identität ist eine transkulturelle – sie spannt einen Bogen zwischen zwei Ländern – Deutschland und Polen. Dabei musste man keinen davon überzeugen, dass dieses „zwei-„, „trans-„, „zwischen-„ ein Schatz, ein Wert, eine Chance sei. Zweisprachigkeit der Kinder unterstützen, zulassen, dass sie ihre polnische Herkunft zu wertschätzen wissen, so wie sie das mit der deutschen machen, ihnen helfen, eigene Beziehungen zwischen der deutschen und polnischen Kultur aufzubauen fern von den Stereotypen, Vorurteilen und abgenutzten Hierarchien – das ist immer noch das Ziel und die Herausforderung zugleich. Alle aus dieser ursprünglichen Gruppe haben die Erfahrungen gemacht, dass die bestehenden Polonia-Organisationen in Hamburg ihnen nicht viel bieten können und den Erwartungen der sog. „neuen Migranten“ (die sich übrigens als Migranten weder bezeichnen noch fühlen) nicht entgegenkommen. So ist die Idee entstanden, eigene Strukturen ins Leben zu rufen dort, wo die alten unzureichend scheinen. So entstand WIR e.V.

Die erste Jahresversammlung hat WIR e.V. gerade im Dezember 2017 hinter sich gebracht. Für nicht länger als etwas über ein Jahr des Bestehens hat der Verein viel erreicht: Drei Smyki-Spielgruppen, die in Hamburg jede Woche polnischstämmige Kinder von 0 bis 3 und ihre Eltern zusammenbringen. Auch vier- und fünfjährige treffen sich regelmäßig bei dem Kurs „Smyki Plus“. WIR e.V. betreut auch einen Polnischkurs für Schulkinder in einer Grundschule in Altona. Der Verein mitorganisierte auch zwei Schulungen in Hamburg – eine methodisch-didaktische für LehrerInnen des Polnischen als Herkunftssprache und Eltern, eine zweite für Multiplikatoren. Auch an dem bundesweiten Vorlesetag hat sich WIR e.V. beteiligt und eine Vorlesestunde veranstaltet, in der polnische Kinderliteratur vorgelesen wurde. Der größte Mehrwert aus dem Jahr sind Begegnungen – nur und doch so viel. Begegnungen der Kinder mit ähnlichen Sprachbiographien in den Spielgruppen, Zusammentreffen gleichgesinnter Eltern,  die sich zu unterstützen und auszutauschen wissen, Vernetzung von Poleninteressierten in Hamburg. Aus diesen Begegnungen entstehen neue Ideen, aus den Ideen Projekte, aus den Projekten entstehen neue Begegnungen. Und darum geht es bei WIR e.V.

Dr. Katarzyna Różańska

Justyna Autor